Das Problem 2. Drittel
Die Kölner Haie haben ein Problem: Das 2. Drittel. Dem langjährigen Beobachter dürfte dabei aufgefallen sein, dass dies nicht erst in dieser Saison der Fall ist.
Schaut man sich die Drittelstatistiken der Haie unter der Leitung von Uwe Krupp an, so ergibt sich das folgende Bild.
1. Drittel | 2. Drittel | 3. Drittel | ||||
2019/20 (ab dem 24.02.2020) |
4-3 | +1 | 7-2 | +5 | 7-5 | +2 |
2020/21 | 41-36 | +5 | 38-51 | -13 | 31-43 | -12 |
2021/22 | 46-40 | +6 | 47-73 | -26 | 51-55 | -4 |
2022/23 | 54-42 | +12 | 66-52 | +14 | 70-56 | +14 |
2023/24 | 25-27 | -2 | 25-40 | -15 | 54-33 | +21 |
Datenquelle (Stand 06.01.2024): leaffan.net
Die Haie bringen sich, mit Ausnahme der Saison 2022/23, durch ein schlechtes 2. Drittel regelmäßig in die Bredouille Spiele zu gewinnen bzw. Punkte zu holen. Immer wieder ist das Team auf einen starken Endspurt im 3. Drittel angewiesen. Dies mag hin und wieder, wie zuletzt gegen die Teams aus dem Tabellenkeller (Frankfurt und Iserlohn) gelingen, aber gegen die direkte Konkurrenz sieht das wiederum anders aus.
Worin könnten die Gründe für derart schwache Vorstellungen im 2. Drittel liegen?
Moritz Müller gab uns im Interview nach dem Heimspiel gegen Red Bull München seine Sicht dazu.
„Ich finde, dass wir im zweiten Drittel zu weit auseinander gezerrt sind im Spiel. Im ersten Drittel kommen wir von der Bank zusammen mit Schwung von hinten raus, da gelingt es uns besser gemeinsam in den Forecheck zu gehen. Im zweiten Drittel haben wir oft das Problem, das wir maximal die Scheibe zum Stürmer in die neutrale Zone kriegen, maximal tief und dann kommt schon die nächste Welle vom Gegner. Wir müssen einfach als Mannschaft kompakter zurückkommen, gemeinsam aufbauen und gemeinsam in den Forecheck gehen.“
Problematik 2. Drittel
Für alle Teams gilt vorab erstmal die identische Ausgangslage. Jedes Team hat im 2. Drittel den langen Wechsel. Die Folge: Teams, die im eigenen Drittel festgespielt werden, haben eigentlich keine Chance auf einen Wechsel, da sich die Wechselzone in der Defensivzone des angreifenden Teams befindet.
Wieso kommen andere Teams offensichtlich besser damit zu Recht als die Haie?
Beim Spiel gegen Red Bull München zeigte sich wieder einmal, dass Kleinigkeiten über den weiteren Spielverlauf entscheiden können. Waren die Haie im 1. Drittel noch nah an Ihren Gegenspielern dran und konnten ein hohes Tempo gehen, so liefen sie im 2. Drittel der Musik reihenweise hinterher. Ein aggressiverer Forecheck, ein angepasster Break-out und die höhere Positionierung eines Stürmers zwischen der roten und blauen Linie in Richtung Haie Drittel sorgten von Münchener Seite dafür, dass der Spielaufbau der Haie nahezu zum Erliegen kam. Scheiben mussten mangels Anspielstationen durch die Mitte vermehrt über die Bande nach vorne gespielt werden. Es ergaben sich viele Scheibenverluste, da die Scheiben entweder nicht präzise genug waren oder die Haie in aller Regelmäßigkeit das Nachsehen in den Zweikämpfen hatten. Im Ergebnis führte es dazu, wie von Moritz Müller angesprochen, das München einen Angriff nach dem anderen Richtung Haie Tor lancieren konnte oder einfach nur dafür sorgte das die Haie selbst nicht in die Offensive kamen, um defensiv für Entlastung zu sorgen.
Dies, kombiniert mit den eigenen Nachlässigkeiten in der Defensivzone, die sich u.a. aus dem vorher beschriebenen ergeben, führte dazu das München vor allem im 2. Drittel leichtes Spiel hatte, ohne selbst wirklich zu glänzen. Dies sah auch Moritz Müller so.
„(Wir haben) Zu leichte Tore hergegeben, wo München gar nicht so viel machen musste und so Geschenke bekommen wir in der Liga selten. Ich denke zu dem Zeitpunkt ist das Spiel von uns weggekippt und in Münchens Richtung und dann am Ende ist es schwer gegen so eine Mannschaft viel zu produzieren.“
Wie kann diese Problematik gelöst werden?
In erster Linie steht und fällt doch alles mit der vorgegebenen Spielweise und deren Umsetzung. Alle Teams haben im 2. Drittel das identische „Problem“, finden aber im Vergleich zu den Haien offenbar deutlich bessere Lösungen dafür um in der Offensive Akzente setzen zu können.
Torverhältnis im 2. Drittel | |
Straubing | 38-21 |
Ingolstadt | 33-18 |
Berlin | 45-33 |
Bremerhaven | 30-25 |
München | 41-37 |
Augsburg | 35-34 |
Nürnberg | 42-42 |
Frankfurt | 34-34 |
Mannheim | 28-30 |
Düsseldorf | 26-28 |
Wolfsburg | 29-32 |
Köln | 25-40 |
Iserlohn | 25-40 |
Schwenningen | 24-41 |
Datenquelle (Stand 06.01.2024): leaffan.net
Im 1. und 3. Drittel trägt die Spielweise der Haie Früchte, im 2. fällt sie Ihnen jedoch dauerhaft auf die Füße und hier müssen wir dann wieder einmal die taktische Ausrichtung und die Vorgaben des Coaching Staffs in Frage stellen.
Was hat sich seit dem Derby Debakel getan?
Beim spielenden Personal ist Jason Bast nach seiner 10-wöchigen Verletzungspause auf das Eis zurückgekehrt und mit Patrick Sieloff ein alter Bekannter aus der Saison 2021/22 zurück im Haie Kader. Er machte bei seinem Debut gegen München einen wirklich guten Eindruck und das, obwohl er „seit April oder Mai“ (Uwe Krupp in der Pressekonferenz) kein Spiel mehr bestritten hat. Er war damals trotz vorliegendem Angebot der Haie nach Nordamerika zurückgekehrt und bestritt in der Saison 2022/23 71 Spiele für die San Jose Barracuda in der AHL.
Tabellensituation
In der Tabelle rangieren die Haie nach dem 35. Spieltag mit 57 Punkten auf Platz 6. Das Tabellenbild zieht sich vorne aktuell ein wenig auseinander, so dass sich Berlin und Bremerhaven mit 72 Punkten ein wenig absetzen konnten. Dahinter folgt Straubing mit 65 und der gestrige Gegner München mit 61 Punkten. Schwenningen 58, Haie 57, Wolfsburg 56, Mannheim 53 und Ingolstadt 52 komplettieren das dichte Verfolgerfeld auf die Plätze 3 und 4.
Formkurve
Beim Blick auf die Leistungskurve der Haie seit dem Derby in Düsseldorf fragt man sich, was hat sich seitdem getan und die Bilanz ist mit 6 Siegen und 5 Niederlagen zwar positiv, es gibt aber keinen wirklichen Anlass zur Freude. Auf die beiden zu Null Spiele in Mannheim und zu Hause gegen Straubing kann man positiv zurückblicken, wobei vor allem das erste Drittel in Mannheim auch ganz anders hätte ausgehen können.
Beim Blick auf die vergangenen 7 Spiele steht die Bilanz inzwischen bei 2 Siegen und 5 Niederlagen. Dies liegt vor allem an den gezeigten Leistungen auf dem Eis, die Spiel für Spiel in den jeweiligen Mannschaftsteilen – mal defensiv, mal offensiv, mal in beiden – zu wünschen übrig ließen.
Zwischen den Pfosten
Auch die Torhüterposition verdient eine gewisse Aufmerksamkeit. Von den insgesamt 11 Spielen seit dem Derby in Düsseldorf hat Tobias Ancicka 10 absolviert. Mirko Pantkowski stand lediglich beim Spiel in Augsburg zwischen den Pfosten. Heißt im Umkehrschluss in den letzten 11 Tagen stand Ancicka 5 mal auf dem Eis. So wirkt er zuletzt nicht unsicher, aber doch ein wenig überspielt und die Möglichkeiten Pantkowski einzusetzen waren durchaus gegeben.
Fazit
Neben der Art und Weise wie sich Haie Spiele vom Ablauf her inzwischen gestalten: Guter Start ohne den passenden Ertrag gemessen am Aufwand, gefolgt von einem ernüchternden zweiten Drittel und einer ggf. notwendigen Aufholjagd gegen Ende weicht die gesamte Spielanlage inzwischen deutlich von dem, was die Haie zum Beginn der Saison auf das Eis gebracht haben, ab. Offensiv fehlt die Leichtigkeit in den Aktionen, es wird zu kompliziert gedacht/gespielt. Der Fokus liegt inzwischen mehr auf der – noch immer – wackeligen Defensive und einem guten Transition Game. Hier haben vor allem die Spiele in Mannheim (die 1-0 Niederlage vom 30.12.2023) und zu Hause gegen München wieder gezeigt mit welch einfachen Mitteln das Spiel der Haie kaltzustellen ist und die Haie zwar um Antworten bemüht sind, diese aber weder auf als auch neben dem Eis finden.
Die Haie müssen es schaffen neben der Balance in Ihrem Spiel auch Lösungen für taktische Änderungen beim Gegner zu finden und vor allem endlich über 60 Minuten Ihr Eishockey spielen und nicht nur Teilzeitarbeit über 20 oder 40 Minuten leisten.
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